-die Schrauber-Tour-
Erst einmal herzlichen Dank an Yannick für deinen engagierten Tourenbericht! Durch deine Worte wird die Tour noch lebendig nacherlebbar. Wir schätzen deinen Einsatz sehr.
In den letzten beiden Jahren bedeutete das Christi-Himmelfahrts-Wochenende bestes Sommerwetter und kaum Pannen. In diesem Jahr waren wir zumindest darauf eingestellt, nass zu werden.
In diesem Jahr waren dabei je ein SR 50, S 51 Enduro, S 51, KR 51/1 Hycomat, KR51/2 und ein MZ ETZ 251 Gespann. Gespann-Fahrer früherer Zeiten sollen ihren Beiwagen dadurch stabilisiert haben, dass sie eine olle Heizung spazieren fuhren. Das war bei uns nicht notwendig: stattdessen hat das solidarische Simson-Kollektiv all sein Gepäck als Reiseballast zur Verfügung gestellt, um das Gespann zu bändigen!
Los gings am Mittwochnachmittag am Simsonium. Die erste Etappe betrug erstmal nur etwa 100 Km und führte uns nach Koblenz. Zwar fuhren wir immer haarscharf vor dem Regen weg, aber irgendwann verließ uns der Mut und wir zogen während einer kurzen Rast Regenzeug an. Darunter schwitzten wir nun vor uns hin – und blieben ansonsten nahezu trocken. Nachdem die Mopeten in einer Garage hinter dem Hotel verstaut waren und wir kurz unsere Taschen auf die Zimmer gebracht hatten, führte uns der Hunger in den Königsbacher-Treff, dessen Bestseller, das „Kowelenzer Krüstchen“, sehr zu empfehlen ist. Erwähnenswert: Es gab (noch) nix zu schrauben.
Die nächste Etappe führte uns über 180 Km von Koblenz nach Marburg. Bevor wir – bei bestem Wetter – immer wieder die Lahn kreuzten, ging es hoch zur Burg Nassau. Die dortige Gastronomie warb mit stundenlang gegartem „Schwarzbierbraten „Asche Braten“ und Knödeln, allerdings lag unser Frühstück gerade mal 1,5 Stunden zurück, weshalb wir uns dazu entschieden, stark zu bleiben. Dafür ging uns der Schwarzbierbraten für die nächsten 4 Tage nicht mehr aus dem Kopf…. Danach ging es vor allem an der Lahn entlang mit einem Zwischenstopp an der Grube Fortuna bei Solms (in Hessen) bis nach Marburg. Bevor wir mehr von Marburg zu sehen bekamen (schöne Stadt!), wurden Zimmerschlüssel verteilt. Die Herberge war günstig. Die Klos („Latrinas“) waren jeweils auf halber Trepp, ansonsten gab es Etagendusche. Wer hier sein Duschtuch vergessen hatte, musste mit einem Duschvorleger Vorlieb nehmen 😁. Danach ging es in die Altstadt und in die dortige Ratsschänke, die mit allerlei Braten warb und uns gedanklich an Burg Nassau anknüpfen ließ…aber es sollte nicht sein, denn vatertagsbedingt waren solcherlei Schlemmer- und Schweinereien ausverkauft, sodass es für manch einen Simsonfreund doch das 2te Schnitzel am 2ten Abend wurde. Erwähnenswert: Es gab (noch) nix zu schrauben.
Der dritte Tag begann damit, dass unser „Herbergsvater“, der uns am Vorabend die Schlüssel übergeben und sich eigentlich bereits verabschiedet hatte, überraschend am Vormittag wieder anwesend war und uns noch – mit der Burg im Rücken – ablichten konnte. Irgendetwas mochte er an uns. Vielleicht ist es dieser herrliche Zweitakt-Geruch, den man in Universitätsstädten längst gegen das Surren der Batteriefahrzeuge getauscht hat, die dort die Avocado zum Frühstück liefern…..Aus Marburg heraus verließen wir die Ausfallstraße mit gerade handwarmen Motoren direkt rechts den Berg hoch – hinter uns verschwand die Sonne im blauen Dunst. Oben waren die Motoren warm. Etappenziel sollte Naumburg (Edersee) sein.
Irgendwo auf halber Strecke, inmitten einer serpentinenreichen Mittelgebirgslandschaft, begann auf einem Waldweg die Schrauberei. Ein Simsonfreund hatte seine Bremsen zuletzt vor läääääängerer Zeit gewartet und die Bremswirkung, die in Bonn gerade noch ausreichend gewesen wäre, war auf den schnellen und kurvigen Abfahrten zu wenig. Also Vorder- und Hinterrad raus, Bremstrommel (mit dem ganzen Gesicht!) ausgepustet (keine DDR-Beläge!), Bremsnocken gefettet, Bremshebel nachgestellt (Zwischenlagen hatten wir nicht dabei) und alles wieder eingebaut. Das Fett kam aus dem Kettenschlauch einer S 51, der hierzu extra freigelegt wurde. Die hierbei im Kettenschlauch gefundenen Kettenfragmente waren noch unproblematisch, aber es fiel auf, dass das Hinterrad so viel Stabilität wie ein Pudding hatte. Zum Glück fand sich ein Speichenschlüssel und nachdem jede Speiche um eine halbe Umdrehung nachgezogen war, ergab sich ein ganz neues Fahrgefühl.



Etwa eine Stunde später gab dann die MZ bekannt, dass die Lichtmaschine die Batterie nicht mehr laden wollte. Nach Demontage des LiMa-Deckels (irgendwo neben einer hessischen Landstraße) konnte man riechen, dass da etwas durchgeschmort war. Kontakte mussten erneuert werden. Nur: Wo bekam man freitagmittags auf einer hessischen Landstraße einen Lötkolben her? Google befragt, Elektromeister Penzin im nahen Bad Berleburg angerufen: „Ich stehe hier mit meinem Motorrad und müsste mal eben was an der Lichtmaschine löten. Könnten sie mir einen Lötkolben ausborgen? Danke, bis gleich!“. Kurz darauf schlugen wir mit unseren 6 Mopeten in dem malerischen Städtchen auf. Der Meister – ein alter Schrauber – lötete natürlich mit. Langsam trudelten die Gesellen ein, um das Wochenende einzuläuten und wir machten uns wieder auf den Weg: Die Warnlampe bei der MZ war aus, die Löterei war erfolgreich.
Auf den letzten Metern fiel übrigens noch auf, dass bei der 2er-Schwalbe ein komisches Rasseln zu hören war. Wo kam das her? Egal, heute wurde nichts mehr geschraubt. Aber am nächsten Morgen könnte man ja mal den Kupplungsdeckel aufmachen…Zum Abendessen ging es diesmal zur örtlichen Dönerbude und es gab noch ein paar Bier im Garten unseres Ferienhauses.

Auf dem Parkplatz des Ferienhauses ging es am nächsten Morgen um halb acht weiter. Getriebeöl ablassen, Kupplungsdeckel runter: das Primärritzel war locker, weil die Mutter nicht richtig festgezogen worden ist. Die Mutter machte zudem leider nicht mehr den Eindruck, als würde sie noch die Kräfte aushalten können, die man hätte aufbringen müssen, um das Primärritzel richtig zu halten. Nur: wo bekommt man am Samstagvormittag in der tiefsten hessischen Provinz eine Mutter M10 mit Feingewinde her?
Beim Metallbaubetrieb die Straße runter machte niemand auf. Der Nachbar, der uns von gegenüber zuschaute, hatte zwar einen gut sortierten Keller, aber keine passende Mutter. Er empfahl den örtlichen Eisenwarenhändler, der sich als kleiner Edeka herausstellte, der auch allerlei Schrauben verkauft, aber leider nicht die gesuchte Mutter. Gegenüber stand eine ausrangierte Waschmaschine, vielleicht würde man beim Ausschlachten etwas brauchbares finden….? Oder das örtliche Heimatmuseum vielleicht, wo auch an Traktoren herumgeschraubt wird? Dort machte nur die Mutter des Betreibers auf. 20 Minuten später kam dieser extra mit seinem Auto aus dem Nachbarort, um in seinen Kisten nachzuschauen: und da war sie, eine Mutter M10 mit Feingewinde! Zum Glück gibt es Leute, die nichts wegwerfen können….. Beim Zusammenschrauben fiel dann noch auf, dass der Hinterreifen keine Luft mehr hatte. Also gleich noch das Hinterrad ausgebaut und den Schlauch gewechselt. Dabei konnte sich noch der für die Tour beschaffte Minikompressor fürs Bordnetz bezahlt machen.
Gegen 10 Uhr liefen endlich alle Mopeten. Ohne Frühstück ging es los auf die vorletzte Etappe über Winterberg mit Ziel Arnsberg. Auf dem Weg trafen wir an einer Tankstelle noch eine weitere Simson-Reisegruppe aus dem Kreis Steinfurt (am Mittellandkanal), die sich über unsere Aufkleber freuten. Der Blick ging ansonsten immer aufs Regenradar, aber wir blieben trocken. Das Unwetter kam, als wir bereits vor dem Hotel im Trockenen saßen. Vor dem Hotel dudelte ein Alleinunterhalter auf dem Stadteilfest bis in die Nacht aus einer LKW-Pritsche heraus portugiesische Schnulzen und am Bierwagen gab es Bier der Marke „Super Bock“.
Der Rückreisetag begann nass. Zwar klarte es wieder auf, bevor wir losfuhren und so konnten wir noch ein Abschiedsfoto von uns in Arnsberg schießen lassen – von jemandem, der zufällig eine Schwalbe auf den Unterarm tätowiert hatte…..auch er bekam einen Aufkleber. Nach dem Tanken warteten wir noch auf einen Regenschauer, aber der Regen verspätete sich und nachdem dies die Gefahr erhöhte, dass wir unseren vom Regenradar vorgesehenen Anschlussregen verpassen würden, drängten die Bahn-Kenner aus unserem Kollektiv zur Weiterfahrt.
Irgendwo hinter unserem Zwischenstopp am Biggesee wurde es dann endlich stockdunkel und es regnete wie aus Eimern. Auf einem Waldweg legten wir Regenzeug an und es ging weiter als motorisierte Wurstpelle bis an den Rhein, wo sich die Truppe nach und nach auflöste, um sich nach 4,5 Tagen im blauen Dunst wieder langsam zu resozialisieren und den Duft der 80er abzulegen. Als schnellstmöglicher Wiedereinstieg in die zivilisierte Welt empfiehlt sich ein Opernbesuch noch am selben Abend (nach der Dusche!).





























